4. Das Internet als integraler Bestandteil der Hochschule

Das Internet hat eine noch vor wenigen Jahren unvorstellbare Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden. Mit rasanter Geschwindigkeit hat es sich von einem für militärische und Forschungszwecke konzipierten Computernetzwerk zu einem Kommunikationsmedium mit öffentlichem Zugang entwickelt. Ein Grund für diese Entwicklung ist sicher in der Vielseitigkeit des Internet zu suchen. Dieselbe technische Infrastruktur ermöglicht die unterschiedlichsten Anwendungen, z. B. Zugriff auf entfernte elektronische Dokumente, Austausch von Nachrichten, Fernsteuerung militärischer Anlagen oder die Bündelung der Rechenkapazität vieler verteilt plazierter Computer zur Berechnung komplexer Aufgaben.

Gleichzeitig sind mit dem Begriff des Internet vielfältige Hoffnungen und Erwartungen, zuweilen auch Befürchtungen verbunden. So werden unterschiedliche Positionen zu Nutzen und Wirkungen des Internet auf politischem Gebiet (u. a. Rheingold 1996, Mambrey 1996, Helten 1996), im ökonomischem (u. a. Bernhardt/Ruhmann 1997, Bangemann et. al. 1996, Tapscott 1996), ökologischen (vgl. z. B. Bernhardt/Ruhmann 1997) und sozialen Bereich (u. a. Debatin 1996, Paetau 1996, Gräf 1997) bezogen. Dagegen beschreibt Stoll in seinem Buch "Die Wüste Internet" seine Vorbehalte gegenüber den Computernetzen (Stoll 1996).

Ich werde hier nicht näher auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Potentiale eingehen, die durch die Nutzung des Internet erschlossen werden könnten. Meine Untersuchung zielt auf den Einsatz des Netzes für PR-Zwecke. Deshalb werden einzelne Aspekte nur tangiert, sofern sie für meine Arbeit von Relevanz sind.

In diesem Kapitel werde ich das Internet als Medium beschreiben. Zuerst werde ich kurz die Entwicklung des Internet skizzieren. Besondere Berücksichtigung findet dabei die Rolle der wissenschaftlichen Einrichtungen in diesem Prozeß. Anschließend sollen die unterschiedlichen Dienste dargestellt werden, wobei ich mich auf die wichtigsten beschränken möchte. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf den besonderen Merkmalen des Internet, die es gegenüber anderen Medien auszeichnen. Darauf aufbauend sollen dann im nächsten Kapitel die Nutzungsmöglichkeiten des weltweiten Computernetzwerks im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit untersucht werden.

4.1 Der Begriff Internet

Wie viele andere Begriffe im Zusammenhang mit den neuen computerbasierten medialen Möglichkeiten ist auch der Begriff Internet häufig nur unscharf definiert. Deshalb ist hier in aller Kürze der Versuch einer Klärung notwendig.

Vesper versteht das Internet als "eine Verknüpfung lokaler, nationaler und internationaler Computernetzwerke, die auf einem gemeinsamen Standard beruht, welcher die technische Verständigung zwischen den verschiedenen Computersystemen ermöglicht" (Vesper 1998, S. 10). Er verwendet dafür auch den Begriff "Online-Netzwerk". Dabei steht "online" für die permanente oder temporäre Verbindung von EDV-Einheiten mittels Telekommunikationsleitungen, und "Netzwerk" für die Möglichkeit, daß jede Einheit mit jeder anderen in Kontakt treten kann. (ebd.)

Das Besondere am Internet ist nach Rost seine Funktion als "Netzevernetzungsnetz". Dabei unterscheidet er allein in technischer Hinsicht drei Bestimmungsebenen: die Schicht der Hardware (Übertragungstechnik), die Schicht des Netzprotokolls und die Schicht der darauf aufsetzenden Netzdienste. (Rost 1997, S. 17f.)

Der Federal Networking Council (FNC), verantwortlich für Ausbau und Finanzierung des staatlich unterhaltenen Teils der Netzinfrastruktur in den USA, definiert den Begriff Internet als "the global information system that -- (i) is logically linked together by a globally unique address space based on the Internet Protocol (IP) [...]; (ii) is able to support communications using the Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP) suite [...]; and (iii) provides, uses or makes accessible, either publicly or privately, high level services layered on the communications and related infrastructure." (Leiner et al. 1998, o. S.)

Als Arbeitsdefinition soll deshalb gelten, daß das Internet eine Verknüpfung von Computernetzen unterschiedlicher Reichweite ist, die aufbauend auf dem gemeinsamen Standard TCP/IP unterschiedliche Dienste für unterschiedliche Nutzergruppen anbieten.

4.2 Die Entwicklung des Internet

4.2.1 Militärische Nutzung des Internet

Die Ursprünge des Internet reichen weit in die sechziger Jahre zurück. Zwischen 1961 und 1967 arbeiteten unabhängig voneinander drei Wissenschaftlerteams an Konzepten für Computernetzwerke auf der Basis einer paketvermittelten Datenübertragung. "It happened that the work at MIT (1961-1967), at RAND (1962-1965), and at NPL (1964-1967) had all proceeded in parallel without any of the researchers knowing about the other work." (Leiner et al. 1998, o. S.) Für eine Projektgruppe des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die ARPA, entwickelte Lawrence G. Roberts im Jahr 1966 den ersten Plan für das ARPANET. Grundgedanke war, ein Netz für den Datenaustausch zu schaffen, das "auch nach einem militärischen Angriff und der Zerstörung einzelner Computer noch funktionsfähig" (Frey 1997, o. S.) blieb. Werner/Becker benennen die zwei grundlegenden Funktionsprinzipien: paketvermittelte Verbindungen (jede Nachricht wird in kleine Pakete aufgeteilt, die unabhängig voneinander ihren Weg zum Zielrechner finden und dort wieder zusammengesetzt werden) und dezentrale Organisation (Werner/Becker 1997, S. 97). Damit sollte die Gefahr des Zusammenbruchs des Netzes bei Ausfall des zentralen Vermittlungsrechners umgangen werden. Also übernahmen alle angeschlossenen Computer Vermittlungsaufgaben. Im Herbst 1969 wurde das Projekt ARPANET realisiert, als vier Großrechner der Universitäten Los Angeles, Santa Barbara und Utah sowie des Stanford Research Institute miteinander verbunden wurden. Der erste Versuch des Datenaustauschs zwischen der UCLA und dem SRI im Oktober 1969 scheiterte sehr schnell: "The first attempt resulted in the system crashing as the letter G of LOGIN was entered." (Zakon 1999, o. S.)

In den siebziger Jahren wurde sowohl an den Übertragungsprotokollen als auch den darauf aufbauenden Anwendungen gearbeitet. Das anfänglich verwendete Protokoll NCP entwickelten Vint Cerf und Bob Kahn zum TCP/IP weiter; es "galt als entscheidender Durchbruch bei der Vernetzung unterschiedlicher paketorientierter Netzwerke" (Alpar 1998, S. 15). Die ersten Programme zum Austausch von e-mail wurden geschrieben, die Spezifikationen für Telnet und FTP festgelegt. Im Jahr 1977 waren 111 Rechner im ARPANET vernetzt, darunter auch Computer außerhalb der USA. (Frey 1997, o. S.) In den nächsten Jahren gründeten sich weitere Netze, z. B. USENET (1979 als Diskussionsplattform) sowie BITNET (1981) und CSNET (1981, gefördert von der NSF), um Wissenschaftlern, die aufgrund der Zugangsbeschränkung durch das amerikanische Verteidigungsministerium keinen Zugang zum ARPANET hatten, Netzdienste wie e-mail und FTP anzubieten

Einen wichtigen Einschnitt markiert das Datum 1983. Seit diesem Jahr ist TCP/IP das Standardübertragungsprotokoll im ARPANET (Zakon 1999, o. S.). Noch im selben Jahr wurde das Netz in das ARPANET für die Forschung und das MILNET für militärische Zwecke (68 der existierenden 113 Knotenrechner) aufgeteilt, denn "die Scientific Community machte regen Gebrauch von den Kommunikationsmöglichkeiten, die sich für die wissenschaftliche Diskussion auch außerhalb der Informatik als sehr nützlich erwiesen" hatten. (Frey 1997, o. S.)

Damit begann eine neue Phase in der Entwicklung des Internet. Nach der Periode der dominierenden militärischen Nutzung kam es jetzt zur Phase der akademischen Nutzung (Vesper 1998, S.12). Seit das ARPANET und andere Netze aufgrund des gemeinsamen Protokolls TCP/IP verbunden werden konnten, kann man vom Internet als Netze verbindendes Netz sprechen. Wo vorher die verschiedenen Netze nebeneinander existierten, konstituierten sie jetzt das globale Computernetzwerk.

4.2.2 Wissenschaftliche Nutzung des Internet

Nachdem das ARPANET von der Dominanz des Verteidigungsministeriums befreit war, konnte es rasch zu einem Medium für die Wissenschaft werden. Schon ein Jahr später waren mehr als 1.000 Knotenrechner an das Netz angeschlossen. (Zakon 1999, o. S.) Die NSF erklärte 1985 programmatisch ihre Absicht, den gesamten Bereich der Hochschulbildung mit Internet-Anschlüssen zu versorgen. Dabei wurde explizit eine Beschränkung der Zugänge auf bestimmte Disziplinen abgelehnt: "[...] a condition for a U.S. university to receive NSF funding for an Internet connection was that ‘... the connection must be made available to ALL qualified users on campus.’" (Leiner et al. 1998, o. S., Hervorheb. im Orig.) 1986 nahm das NSFNET, ein Backbone mit einer Kapazität von 56 kBit/s, seinen Betrieb auf. Es verband fünf Supercomputer-Zentren, die hohe Rechnerleistungen für alle angeschlossenen Universitäten und Forschungseinrichtungen zur Verfügung stellte. Sehr bald waren viele Hochschulen an das Netz angeschlossen, auch internationale Verbindungen zu anderen nationalen Forschungsnetzen wurden etabliert. 1989 überstieg die Zahl der angeschlossenen Hostrechner des Internet die 100.000-Grenze. (Zakon 1999, o. S.) Im März 1990 wurde das ARPANET offiziell beendet. Seine Funktion übernahm das NSFNET. Inzwischen verlor sich die Bedeutung des Anschlusses an ein bestimmtes Netz (z. B. BITNET oder CSNET), da die meisten miteinander verbunden waren und damit das Internet formten.

In Deutschland gründeten 1984 drei Hochschulen, vier Großforschungsinstitute und vier Industrieunternehmen den Verein zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes e.V. (Quandel 1994, S.12) Vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie unterstützt, errichtete der DFN-Verein ein leistungsfähiges Netz für "Kommunikation und den Informations- und Datenaustausch in nationalen und internationalen Netzen insbesondere von Einrichtungen und Personen aus Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur." (DFN-Verein 1997, o. S.) 1989 hatte der DFN-Verein schon über 150 Mitglieder, Anfang 1997 mehr als 400. (ebd.) Das Deutsche Forschungsnetz wurde kontinuierlich ausgebaut und dient als deutscher "Wissenschafts-Backbone". Im Jahr 1989 wurde es mit dem NSFNET verbunden. (Zakon 1999, o. S.) Außerdem bestehen Übergänge ins Europa-NET, das die europäischen Forschungsnetze miteinander verbindet. Die Kapazitäten wurden entsprechend ausgebaut. 1990 wurde das Wissenschaftsnetz "WiN" in Betrieb genommen; 1996 kam das Breitband-Wissenschaftsnetz "B-WiN" hinzu. (DFN-Verein 1998, o. S.)

Diese Entwicklungsphase bis Anfang der neunziger Jahre beschreibt Alpar als "Skalierungsphase" (Alpar 1998, S. 15). Das Internet wurde einer größeren Öffentlichkeit bekannt und die Qualität der Anwendungen und Nutzungsmöglichkeiten nahm zu (ebd., S. 17). Zu Beginn der neunziger Jahre trat das Internet dann in die "Phase der kommerziellen Nutzung" (Vesper 1998, S. 12) ein.

4.2.3 Kommerzielle Nutzung des Internet

Einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des Internet stellt die Entwicklung eines neuen Dienstes dar: das World Wide Web (auch kurz W3 oder Web genannt). Im Herbst 1990 begann Tim Berners-Lee am CERN mit der Programmierung eines Browsers zur Darstellung von Hypertext-Dateien. Der Browser lief auf NeXT-Computern und erhielt den Namen "WorldWideWeb". (Berners-Lee 1999, o. S.) Dieses Programm prägte den Namen des neuen Dienstes, der sich mit der Entwicklung des "Mosaic"-Browsers durch Marc Andreessen und Eric Bina am NCSA im Jahr 1993 endgültig durchsetzte. Ihr Verdienst war es, daß sich Text und Grafiken gemeinsam in einem Dokument anzeigen ließen. Außerdem lief Mosaic nicht nur unter UNIX, sondern auch auf Macintosh und PC und erleichterte durch seine einfache Installation den Zugang zum neuen Internet-Dienst WWW. (Cailliau 1995, o. S.; Berners-Lee 1999, o. S.)

Die Entwicklung eines auch für Computerlaien einfach zu bedienenden Internet-Dienstes, der noch dazu eine grafische Benutzeroberfläche hatte, führte in kurzer Zeit zu einer rasanten Verbreitung von WWW-Browsern und -Servern. "Mosaic takes the Internet by storm", beschreibt Zakon die zunehmende Nutzung des WWW. (1999, o. S.) Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklung stieg "das Interesse an Netzzugängen außerhalb der Scientific Community schnell." (Frey 1997, o. S.) Vesper differenziert den Wandel auf drei Ebenen (1998, S. 13): Erstens ändert sich die Betreiberstruktur; anstelle akademischer, mit öffentlichen Mitteln finanzierter Institutionen verantworten jetzt kommerziell orientierte Unternehmen den Betrieb der Netze. So hat z. B. die NSF im April 1995 ihren Backbone auf private Netzwerkbetreiber übertragen. (Leiner, 1998, o. S.) Zweitens ändert sich die Art der Inhalte: neben den akademischen Informationsaustausch treten kommerzielle Angebote. Drittens wandelt sich auch die Gruppe der Nutzer: zu dem relativ kleinen Kreis der technikbegeisterten Universitätsangehörigen kommen breitere Nutzerschichten (Vesper 1998, S. 13).

Anfang 1993 gab es weltweit 1,3 Millionen Knotenrechner im Internet. Diese Zahl stieg bis zum Januar 1999 auf 43,2 Millionen Rechner an. Die Zahl der Web-Server stieg von 130 im Juni 1993 auf 4,3 Millionen im Februar 1999. (Zakon 1999, o. S.) Entsprechend sind auch die Nutzerzahlen gewachsen: die ARD/ZDF-Online-Studie 1998 kommt zu dem Ergebnis, daß mehr als 6,6 Millionen Personen in Deutschland die Möglichkeiten haben, auf das Internet oder Online-Dienste zuzugreifen. Damit haben mehr als 10 Prozent der Deutschen einen Internetzugang (van Eimeren et al. 1998, S. 423). Im Vergleich zur ersten ARD-Online-Studie 1997, als 4,11 Millionen Online-Nutzer ermittelt wurden (van Eimeren et al. 1997, S. 548), ist das ein Anstieg um knapp 60 Prozent.

Der Charakter des Internet hat sich damit seit Beginn der neunziger Jahre erheblich gewandelt. Kommerzielle Betreiber, kommerzielle Angebote und breite Nutzerschichten haben aus dem Forschungs- und Insider-Netzwerk ein öffentliches Medium werden lassen. Hatten die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den siebziger und achtziger Jahren dominanten Einfluß auf die Entwicklung und Nutzung des Internet, sind sie jetzt nur noch eine Nutzergruppe unter anderen. Ihr Vorsprung in Technologie und Know-how ist beständig zusammengeschmolzen. Die Programmierung und Vermarktung von Internet-Applikationen wird fast gänzlich von kommerziellen Unternehmen geleistet. Allerdings sind einige von ihnen aus universitären Forschungsprojekten heraus entstanden, sozusagen als Ergebnis des Technologietransfers. Beispielsweise wurde Netscape von Marc Andreessen und Kollegen gegründet, die vorher am NCSA den Browser Mosaic entwickelt hatten. (vgl. Cailliau 1995, o. S.) Dennoch ist das Internet sowohl als Werkzeug für Forschung und Lehre als auch als Kommunikationsmittel im Austausch der Wissenschaftler von den Hochschulen nicht mehr wegzudenken. Insofern darf man das Internet zurecht als integralen Bestandteil der Hochschule bezeichnen.

Im folgenden Kapitel sollen die wichtigsten Dienste des Internet stichwortartig vorgestellt werden. Auf dieser Grundlage werde ich im darauffolgenden Abschnitt den Versuch unternehmen, das Internet als Medium zu beschreiben und gegenüber den etablierten Medien abzugrenzen.

4.3 Internet-Dienste

Das Internet ist kein einheitliches Medium, vielmehr ist es Grundlage für eine Reihe unterschiedlicher Kommunikationsmodi. In einer groben Unterscheidung lassen sich Informations-, Kommunikations- und Datendienste auseinanderhalten. Zu den Informationsdiensten zählt neben Gopher und den Push-Diensten vor allem das WWW. Strukturell ist die Kommunikationsrichtung einseitig, auf Abruf oder Empfang von Inhalten ausgelegt. So interaktiv sie auch zu sein scheinen, es handelt sich nur um Interaktion mit dem Medium, nicht mit lebendigen Kommunikationspartnern. Die Kommunikationsdienste ermöglichen Interaktion zwischen Menschen über das Internet. E-Mail, News, IRC, Internet-Telefonie und Videokonferenzen gehören dazu. Zuletzt spielen die Datendienste eine wichtige Rolle im "Netz der Netze": FTP, Telnet, Archie, WAIS und Veronica sollen hier beispielhaft genannt sein. Ihre Funktion ist das Auffinden und Transferieren von Daten sowie die Fernsteuerung von angeschlossenen Computern. Als für meine Arbeit wichtigste Dienste sollen E-Mail, News, Mailinglisten, FTP, IRC, das WWW und die Push-Technologie im folgenden kurz beschrieben werden. Auf die ebenfalls für die Öffentlichkeitsarbeit interessanten Dienste Internet-Telefonie und Videokonferenzen gehe ich hier nicht weiter ein, da sie sich prinzipiell nicht vom bisher praktizierten Einsatz über das Telefonnetz unterscheiden.

E-Mail

Electronic Mail, so der vollständige Name des Dienstes, ist eine der beliebtesten und am häufigsten genutzten Anwendungen im Internet. Sie ist das elektronische Pendant zur Briefpost und dient der asynchronen schriftlichen Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen. E-Mails können an einen oder mehrere Empfänger zugleich verschickt werden. Analog zum Briefverkehr wird der Nachrichtenteil mit der Adresse des Empfängers versehen (der E-Mail-Adresse) und findet dann innerhalb von Sekunden seinen Weg zum Adressaten. Da die eingegangenen E-Mails quasi in einem Briefkasten aufbewahrt werden, bis der Anwender seine neue Nachrichten abruft, kann man sie am treffendsten mit postlagernden Briefen vergleichen. Vorteile der elektronischen gegenüber der "gelben" Post sind neben der Schnelligkeit der Übertragung die einfache Möglichkeit der Beantwortung (Briefpapier, -umschlag, Briefmarke und Transport zum Postkasten entfallen), die Möglichkeit der elektronischen Weiterverarbeitung sowie die Kostenersparnis. Außerdem können beliebige Dateien (z. B. Ton- oder Bilddateien, aber auch Dokumente spezieller Anwendungsprogramme) versendet und die Nachrichten mittels Verschlüsselung schnell und wirksam gegen fremden Zugriff geschützt werden.

News

Dieser Dienst besteht aus Tausenden Diskussionsgruppen (engl. Newsgroups) zu allen erdenklichen Themen, die von sog. News-Servern verwaltet werden. Diese Rechner sind untereinander verbunden und tauschen die jeweils neuen Beiträge zu den Diskussionsforen periodisch aus. News basiert auf E-Mails, die von den Teilnehmern der jeweiligen Gruppen geschrieben und dann auf den News-Servern abgelegt werden. Jeder Online-Nutzer kann die Nachrichten in den ihn interessierenden Gruppen ansehen und auf seinen Rechner laden. Genauso einfach kann er auf die Beiträge antworten (privat per E-Mail an den Autor oder öffentlich in der Gruppe) oder selbst eine Diskussion anstoßen. News ist ein Forum der asynchronen öffentlichen Diskussion, sozusagen die elektronische Nachbildung des "Schwarzen Bretts".

Mailinglisten

Mailinglisten sind eine besondere Form der Diskussionsgruppen. Auch hier sind E-Mails das Transportmedium des Austauschs. Im Unterschied zu den News sind die Mailinglisten nicht öffentlich, sondern auf einen bestimmten Nutzerkreis beschränkt. Bedingung für die Teilnahme ist das Abonnement, also die Bitte um Aufnahme in die Mailingliste. Je nach Art der Liste kann die Bestätigung durch den Leiter der Gruppe notwendig sein. Mit Mailinglisten lassen sich je nach Bedarf offene und restriktive Gruppen bilden. Die Beiträge dieser Listen erhalten die Mitglieder per E-Mail in ihr Postfach – im Unterschied zu den News brauchen sie nicht selbst die neuen Nachrichten abholen. Bezüglich der Kommunikationsstruktur lassen sich zwei Arten von Mailinglisten unterscheiden. Einerseits kann eine solche Liste als Diskussionsplattform einer bestimmten Gruppe (z. B. einer Arbeitsgruppe) genutzt werden. Es ist allerdings auch möglich, eine Mailingliste als reinen Informationsverteiler zu verwenden: in diesem Fall hat nur der Leiter der Gruppe das Recht, Nachrichten zu versenden. Den Abonnenten bleibt die Rolle als Empfänger. Hiermit lassen sich z. B. elektronische Rundbriefe verwirklichen.

FTP

Das File Transfer Protocol dient dem Übertragen von Dateien zwischen verschiedenen an das Internet angeschlossenen Rechnern. Dabei können sowohl Dateien vom entfernten Rechner heruntergeladen (engl. Download) als auch hinauftransferiert (engl. Upload) werden. Zu unterscheiden ist zwischen privatem und anonymem FTP. Beim privaten FTP benötigt der Nutzer die Zugangsberechtigung auf beiden beteiligten Rechnern. Dagegen bedarf es beim anonymen FTP keiner speziellen Berechtigung. Diese Variante wird besonders beim Angebot freier Software, aber auch für frei verfügbare Texte verwendet.

IRC

Internet Relay Chat ist textbasiertes Mehrbenutzerdialogsystem, das es Online-Nutzern erlaubt, miteinander zeitgleich zu kommunizieren. Sie melden sich bei einem IRC-Server an und können dann an den vielfältigen Gesprächsgruppen, den sog. Kanälen, teilnehmen. Die Nutzer haben abgesehen von der Textkommunikation auch Gelegenheit, einzelnen anderen Gesprächspartnern Dateien zuzusenden. IRC ähnelt damit den News, bietet aber synchrone Kommunikationsmöglichkeiten. Neben den öffentlichen Gesprächsgruppen lassen sich mit Hilfe dieser Technologie natürlich auch Kanäle für einen festgelegten Kreis von Personen einrichten.

World Wide Web

Das WWW ist die dominante Form des Internet-Nutzung. Innerhalb kurzer Zeit hat es sich zum populärsten Dienst des Netzes entwickelt. Das liegt sicher zu einem guten Teil an der Einfachheit der Bedienung. Die grafische Benutzeroberfläche der WWW-Browser erlaubt mit einigen Mausklicks, was vorher nur unter mühsamer Eingabe langer UNIX-Befehle möglich war. Das WWW erzeugt die "Illusion der Nähe trotz geographischer Distanz" (Höflich 1998b, S. 141), denn egal wo sich die WWW-Dokumente befinden, sie werden alle auf dem heimischen Bildschirm angezeigt. Die umständliche Kontaktaufnahme zu entfernten Servern, wie bei FTP oder Telnet üblich, entfällt. Als "Multimediadienst" (Werner/Becker 1997, S. 102) integriert es unter einer Oberfläche andere mediale Formen wie z. B. Bild- oder Tondateien. Dazu bedient es sich des Hypertext-Prinzips, das es erlaubt, Informationen einzigartig zu strukturieren. Zusätzlich können die Web-Seiten unter Verwendung von HTML ansprechend gestaltet werden. Strukturell besteht das WWW aus Unmengen von HTML-Dokumenten, die auf den verschiedenen Servern des Netzes abgelegt und miteinander verknüpft sind. Die grundlegende Kommunikationsstruktur des WWW ist einseitig, denn es sieht lediglich den Abruf vorbereiteter Seiten vor. Die Rolle der Web-Browser, der "Fenster zum Netz", ist vom Dienst WWW getrennt zu betrachten. Durch die Einbindung von anderen Diensten, wie z. B. E-Mail, News oder FTP, werden sie zur integrativen Plattform des Internet. Das Gesicht des WWW wird sich zur grafischen Benutzeroberfläche des Netzes wandeln, die alle bisher getrennten Dienste zusammenbringt.

Push-Dienste

Unter Push-Diensten werden Anwendungen verstanden, die komplementär zum WWW funktionieren: Der Nutzer holt sich die Inhalte nicht selbst auf den Bildschirm, sondern sie werden ihm automatisch zugesandt. In einem Fenster des Web-Browsers werden diese dann dargestellt. Im Unterschied zum World Wide Web werden die Seiten nicht vom Nutzer abgerufen, sondern selbsttätig geladen. Auf unterschiedlichen Kanälen können parallel verschiedene Inhalte empfangen werden. Damit ähneln sie in ihrer Kommunikationsstruktur den Massenmedien. Anwendungsbereiche sind z. B. Nachrichtendienste, die sich der Nutzer individuell nach Themengebieten zusammenstellen kann.

4.4 Das Internet als Medium

Bevor das Internet im Speziellen in den Blickpunkt der Betrachtung gelangt, ist es vorteilhaft, einen Schritt zurückzutreten und einen allgemeinen Überblick über die "Neuen Medien" zu gewinnen. Die Begriffe "Neue Medien" und "Multimedia" werden vielfach verwendet, das letztere 1995 sogar zum "Wort des Jahres" erklärt, oft aber ist eine klare Definition nicht zu erkennen. Pfammatter legt dar, daß "[...] der Ausdruck ‘neue Medien’ so was wie ein ‘Dauerbrenner’ in der Terminologie der Diskussion über neue Kommunikationstechniken [ist], [...] und man [...] damit die neuesten der neuen Medien bezeichnet wissen" (Pfammatter 1998b, S. 10f.) will. So wurden in den achtziger Jahren auch die Kabeltechnologie und Satelliten unter "Neue Medien" subsumiert (ebd., S. 11). Bollmann schlägt vor, als "Neue Medien" solche zu bezeichnen, die "mit Hilfe digitaler Technologie, also computergestützt, [...]" (Bollmann 1996, S. 12) bisher nicht gebräuchliche oder neue Informations- und Kommunikationsbeziehungen ermöglichen. Über die Neuheit und den digitalen Charakter hinaus bietet der Begriff jedoch keine weiteren Beschreibungskategorien dieser Medien.

"Multimedia" bedeutet wörtlich die Kombination bzw. Integration unterschiedlicher Medien. So wurden in den sechziger und siebziger Jahren u. a. "Präsentationen oder Performances mit Musik vom Plattenteller oder ab Band in Kombination mit Diaprojektionen" (Pfammatter 1998b, S. 10) als "Multimedia-Shows" bezeichnet. Heute gilt der Ausdruck "Multimedia" fast nur noch für interaktiv nutzbare digitale Medien, wobei mindestens ein digitales kontinuierliches Medium mit einem konkreten Medium kombiniert wird (Riehm/Wingert 1996, S. 9). Wichtig für die Unterscheidung von "multimedialen" Anwendungsbereichen ist, ob sie für sich allein stehen ("stand alone" bzw. offline) oder vernetzt (online) sind. So zählt die CD-ROM in ihren verschiedenen Varianten zum Offline-Bereich, das Internet dagegen ist zweifelsohne ein Online-Anwendung. Zusammenfassend läßt sich "Multimedia" als interaktive, digitale Medienintegration beschreiben (Pfammatter 1998b, S. 12), wobei das Internet nur einen Anwendungsbereich darstellt und deshalb keinesfalls mit Multimedia gleichzusetzen ist. Was aber sind die entscheidenden, die spezifischen Merkmale des Internet?

Das Internet stellt eine neue Klasse im Reigen der Medien dar: es ist ein "Medium neuen Typs" (Bucher/Barth 1998, S. 517), ein "Meta-Medium". "Erstmals kann ein und dasselbe Gerät [der Computer - d. V.] alle technisch vermittelten Kommunikationsformen tragen." (Schmitz 1998, S. 222) Alle medialen Darstellungsformen sind potentiell eingeschlossen: Text, Grafik, Bild, Film und Ton. Ob visuell oder akustisch, bewegt oder statisch, jede dieser Formen kann über das Internet übertragen und verbreitet werden. "Das Netz ist alles. Es vereint Radio, Fernsehen, Textverkehr, Bibliotheken und Foren [...]", proklamieren Bickenbach/Maye (1997, S. 80). Berghaus spricht von einem "Supermedium oder Medienbündel" (1997, S. 73), das "die Leistungen der vorherigen Medienstufen in sich birgt" (ebd., S. 79) und erwartet ein neues "Medien-Stadium" (ebd., S. 74). Coy stellt ebenfalls die Frage nach dem zukünftigen Leitmedium und antwortet selbst, indem er die Gutenberg-Galaxis "vielleicht nicht durch eine TV-Galaxis [...], sondern durch eine Turingsche Galaxis" (1997, S. 163) abgelöst sieht.

Allerdings muß beim Definitionsversuch des Internet als Medium der Medienbegriff differenziert betrachtet werden. Mit Weischenberg ist zwischen "Medien erster und zweiter Ordnung" zu unterscheiden (1998, S. 51). Medien erster Ordnung sind rein technische Vermittlungssysteme – sie entsprechen also dem Kanal in der mathematischen Informationstheorie von Shannon/Weaver (Kloock/Spahr 1997, S. 218) –, die unterschiedliche Nutzungsweisen erlauben und hinsichtlich ihrer Inhalte unfertig sind (Rössler 1998, S. 19). Zu Medien zweiter Ordnung werden sie erst, wenn durch den Modus ihrer Verwendung "soziale Bedeutungsproduktion und -vermittlung" (Schmid/Kubicek 1994, S. 403) gewährleistet ist. Sie werden institutionalisiert (Saxer 1997, S. 21; Weischenberg 1998, S. 52). Das Internet darf im technischen Sinne als Medium erster Ordnung bezeichnet werden. Auf der zweiten Ebene, im Sinne sozialer Institutionen, kann das Internet nicht als eindeutiges Ganzes, als einheitliches Kommunikationssystem verstanden werden. Vielmehr muß zwischen den einzelnen Anwendungen oder Diensten – Rössler bezeichnet sie als Kommunikationsmodi – differenziert werden. Jeder Modus hat spezielle Merkmale und unterschiedliche Funktionen. Deshalb wäre der Begriff Medium am ehesten auf diese einzelnen Kommunikationsmodi anzuwenden. (Rössler 1998, ebd.) Zudem befinden sich die Modi noch in Entwicklung, spezifische Anwendungsmuster haben sich noch nicht (verbindlich) ausgeprägt: das Internet ist noch nicht erwachsen. Insofern sollte hier nur unter Vorbehalt von Medien zweiter Ordnung gesprochen werden.

Um die Merkmale des Internet zu bestimmen, ist es vorteilhaft, "einerseits technologische Merkmale und andererseits die Wahrnehmung der Merkmale einer Technologie zu unterscheiden." (Schmutzer 1997, S. 219) Die grundlegenden technologischen Merkmale des Internet sind elektronische Datenübertragung, Vernetzung und Digitalisierung. Sie stehen allerdings beim Umgang mit dem Supermedium nicht im Vordergrund. Stattdessen prägen Unabhängigkeit von Zeit und Raum, Interaktivität und Multimedialität als unmittelbar darauf aufbauende Eigenschaften in weitaus stärkerem Maße die Wahrnehmung. Zur Beschreibung des Internet wird daher ein Drei-Säulen-Modell vorgeschlagen (Abb. 4). Die dort skizzierten Charakteristika des Internet sollen nachfolgend erläutert werden.
 

Abb. 4: Eigene Darstellung.

4.4.1 Die technologischen Merkmale des Internet

Die lichtschnelle elektronische Übermittlung der Daten ist die grundlegende Bedingung für das Medienbündel Internet. Seit 1833 bekannt, bildet die elektrische Signalübertragung über große Strecken (zuerst über Leitungen, später drahtlos per elektromagnetischer Wellen) die Basis für Telegraphie, Telefonie und Rundfunk (Faulstich 1994, S. 237). Die Computernetze stützen sich auf dieselbe Technologie in zweierlei Hinsicht: einerseits bestehen die Rechner selbst aus elektronischen Bauteilen, andererseits sind sie über Telekommunikationsleitungen oder Funkverbindungen miteinander vernetzt.

Die Vernetzung der Computer erst läßt die vorher isolierten Rechner zu den Computernetzen werden, die letztlich das Supermedium Internet bilden. Der Computer ist zwar ein elektronisches Gerät, das digitale Daten verarbeitet, die kommunikativen Möglichkeiten werden aber erst durch den Verbund konstituiert. Flusser unterscheidet grundsätzlich sechs Kommunikationsstrukturen, von denen vier unidirektional ("diskursiv") und zwei multidirektional ("dialogisch") sind. Die Netzstruktur ist eine der zwei dialogischen Kommunikationsstrukturen. Die Kommunikationsrichtung ist zweiseitig; im Unterschied zu den Massenmedien wird nicht zwischen Sendern und Empfängern differenziert, sondern die Teilnehmer sind gleichberechtigte Partner. (vgl. Flusser 1996, S. 23) Das Computernetzwerk ist ein "Viele-an-viele-Medium" (Rheingold 1996, S. 190; vgl. auch Schmutzer 1997, S. 233ff.; Zehnder 1998, S. 187). "Das traditionelle Massenmedienmodell gilt nicht mehr", befindet Berghaus (1997, S. 77).

Die Digitalisierung ist die dritte technologische Säule des Internet. Verschiedenste Arten von Informationen werden in einen binären Kode übersetzt. Im Gegensatz zur analogen Information gibt es hier nur zwei verschiedene Ausprägungen, die das Signal annehmen kann: 0 oder 1, an oder aus. Die so vereinheitlichten Informationen können sämtlich mit dem Computer verarbeitet werden. Zusätzlich erlauben sie Fehlerkorrektur und Datenkompression, wodurch die digitalen Daten qualitativ hochwertiger sind sowie weniger Übertragungs- und Speicherkapazität benötigen (Negroponte 1995, S. 24). Mit der Digitalisierung ist der "Traum, einen einzigen Code für Ton, Bild und Schrift" (Gauron 1996, S. 27) zu finden, verwirklicht.

Neben den technologischen Merkmalen elektronische Datenübertragung, Vernetzung und Digitalisierung, die dem Nutzer eher verborgen bleiben, treten andere Kennzeichen, die stärker wahrgenommen werden. Auf dem Fundament der Technologie prägen Unabhängigkeit von Zeit und Raum, Interaktivität und Multimedialität die Perzeption des Internet. Diese Merkmale sind nicht als statische Größen zu betrachten, sie werden situativ in unterschiedlichen Ausprägungen wahrgenommen.

4.4.2 Die wahrgenommenen Merkmale des Internet

Die wahrgenommene Zeit- und Raumunabhängigkeit des Internet basiert vordergründig auf der elektronischen Datenübertragung, die mit Lichtgeschwindigkeit erfolgt. Dadurch ergeben sich bei der Nutzung des Internet nur minimale Übertragungszeiten für die Daten, egal wo sich die Kommunikationspartner befinden (die dennoch auftretenden Wartezeiten sind bedingt durch die beschränkte Kapazität der Datenleitungen und beteiligten Knotenrechner). Die "zeit- und raumneutralisierenden Effekte der elektronischen Fernkommunikation" (Wehner 1997a, S. 152f.) können aus verschiedenen Perspektiven beschrieben werden. Nutzerseitig ist z. B. der Zugriff auf WWW-Seiten nicht abhängig vom gegenwärtigen Aufenthaltsort und der lokalen Zeit. Rund um die Uhr können Informationen abgerufen oder versendet werden. Aus Sicht der Anbieter haben ihre Seiten im WWW eine prinzipiell unbegrenzte, eine globale Reichweite. Darüber hinaus können sie ohne Zeitverzögerung (z. B. Redaktionsschluß in Printmedien oder Rundfunk) ergänzt oder aktualisiert werden. Was hier beispielhaft für das World Wide Web gesagt wurde, gilt auch für die anderen Kommunikationsmodi: das Internet kennt keine Öffnungszeiten und kein exklusives, auf wenige Großstädte reduziertes Filialsystem. Zusammenfassend kann man mit Höflich von der "Loslösung von zeitlichen Restriktionen" sprechen, denn synchrone und asynchrone Kommunikationsbeziehungen zwischen geographisch getrennten Kommunikationspartnern werden durch das Internet ermöglicht (1994, S. 391). Gleichsam äußert sich diese Qualität in dem Anspruch, angebotene Inhalte müßten, unabhängig von den verwendeten Kommunikationsmodi, stets aktuell sein (Vesper 1998, S. 25).

Interaktivität wird häufig als zentrales Merkmal des Internet genannt. Es ist offensichtlich, daß der Kommunikationsraum Internet nicht von passiven Rezipienten, sondern Nutzern bevölkert ist. Schon der Wortlaut induziert, daß es im Netz – im Gegensatz zu den Massenmedien – einen "Interaktionszwang" (Frey 1997, o. S.) gibt. Der Rückkanal ist integraler Bestandteil der Netzstruktur, seine Nutzung ist keine Option, sondern Pflicht – auch bei minimalster Verwendung. Bezogen auf elektronische Post stellt Weinreich fest, daß sie ohne den aktiv kommunizierenden Nutzer einfach nicht stattfände (1998, S. 132). Im Vergleich zu "alten Medien" werden den auf dem Internet aufsitzenden Kommunikationsmodi höhere Interaktivitäts-Werte zugeschrieben (Schmutzer 1997, S. 221ff.).

Vielfältig und unscharf sind allerdings die Konzepte, die sich hinter dem Schlagwort "Interaktivität" verbergen. Um den Versuch einer differenzierten Betrachtung zu unternehmen, ist zuerst der Begriff zu klären. Der Terminus Interaktion wurde in langen theoretischen Diskussionen in der Soziologie, Sozialpsychologie und Psychologie entwickelt. Als Definition ist anzunehmen, daß Interaktion als "wechselseitiges, aufeinander bezogenes Handeln zwischen Individuen bzw. in Gesellschaft" (Vesper 1998, S. 52) verstanden wird. Sofern Computer am Kommunikationsprozeß beteiligt sind, können sie daher nicht Kommunikationspartner sein. Zentral ist demnach die Unterscheidung zwischen "Interaktion mit einem Medium und [...] Interaktion durch ein Medium" (Rössler 1998, S. 33, Hervorheb. im Orig.; vgl. auch Zerfaß 1998, S. 35). Im letzteren Fall kann von Interaktion im Sinne der Definition gesprochen werden, da die Computertechnik nur als Mittler, als Kanal für die interpersonale Kommunikation fungiert: sie ist "interaktionsermöglichend" (Höflich 1994, S. 391). In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff computervermittelte Kommunikation gebraucht (Weinreich 1998, S. 130). Dagegen ist Interaktion mit einem Medium, hier also dem Computer als Kommunikationspartner, strenggenommen nicht möglich. In diesem Fall sollte besser von Interaktivität gesprochen werden. Höflich definiert sie als "die Kapazität eines technischen Systems, zum Nutzer ‘zurückzusprechen’" (1997, S. 95) – impliziert ist damit wieder die aktive Rolle des Nutzers. Das jeweilige Interaktivitätsniveau kann man im Rahmen eines Drei-Stufen-Modells bestimmen. Dabei soll, entsprechend der Nähe zur direkten, reziproken Kommunikation von Personen, zwischen Reaktions-, Beeinflussungs- und Gestaltungsoptionen unterschieden werden. (Wehner 1997a, S. 37f.) Als Beispiel für der Reaktionsebene gilt die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten (etwa Fernsehkanälen), die ein Nutzer abrufen kann. Er hat allerdings keinen Einfluß auf die Inhalte der Angebote, ihm bleibt lediglich die Rolle des Empfängers. Auf der Stufe der Beeinflussung kann er dagegen den Inhalt eines Medienangebots eigenständig bestimmen. Innerhalb vorgegebener Möglichkeiten obliegt es ihm, ein individuelles Medienprodukt zu kreieren (z. B. bei der Auswahl von HTML-Seiten im WWW). Erst auf der dritten Ebene, der Gestaltungsebene, ist ein Einwirken auf die Inhalte möglich. Der Nutzer ist nicht mehr auf die Empfängerrolle festgelegt, er kann selbst Sender von Informationen sein. So z. B. bei der Abfrage von Datenbanken, wo Informationen, z. B. Suchkriterien, an den Server geschickt werden. Als weiteres Beispiel wäre denkbar, daß Anmerkungen der Online-Nutzer als Leserbriefe an die eigentliche Nachricht im Web-Auftritt einer Zeitung angehängt werden. Freilich sind hier die Grenzen zur Interaktion über das Medium, also zur interpersonalen Kommunikation, fließend.

Das Internet ist multimedial. Da alle medialen Formen digitalisiert werden können, sind sie für die Verarbeitung und Übertragung mit dem Computer verfügbar. Die drei "großen Einzelmedien, Text, Bild und Ton" (Schanze 1997, S. 191), haben zwar auch unabhängig voneinander weiterhin Bestand, werden im Netz aber immer wieder anders gemischt. Die ehemals strikt getrennten Medienformen werden miteinander verflochten. Es entstehen keine neuen Formen, die neue Qualität beruht auf dem Zusammenspiel der bestehenden. Vesper spricht deshalb von "Medienformenintegration" (1998, S. 28), für Frey hat das Internet vor allem "integrativen Charakter" (1997, o. S.). Im WWW ist die Verknüpfung unterschiedlicher medialer Formen (Text, Fotos, Grafiken, Animationen, Sounds) offensichtlich, aber auch andere, bisher eher textbasierte Kommunikationsmodi werden zunehmend "multimedialisiert". Chat-Rooms bieten den Teilnehmern z. T. die Möglichkeit, Avatare auszuwählen, die dann gemeinsam die virtuelle Diskussionsgruppe bildhaft darstellen. Vermutlich werden auch "audiovisuelle Animationseffekte" (Debatin 1998, S. 34) die Chat-Rooms zukünftig aufwerten.

Zu den drei technologischen und drei wahrgenommenen Merkmalen des Internet kommen noch zwei Charakteristika, die in spezifischer Weise, besonders aber im Vergleich mit den etablierten Medien, für die veränderte Wahrnehmung des Medienbündels verantwortlich sind: Hypertextualität und das Pull-Push-Phänomen. Diese Besonderheiten sollen als exklusive Merkmale bezeichnet werden, da sie in dieser Form nur in Computernetzwerken (nicht ausschließlich dem Internet) aufzufinden sind.

4.4.3 Die exklusiven Merkmale des Internet

Hypertextualität bedeutet ganz allgemein die Verknüpfung von Inhalten (Texten) aller Art nach speziellen Prinzipien. Grundlegend ist die Feststellung von Krajewski, daß Hypertext einerseits alle Funktionen gewöhnlichen Texts enthält, andererseits aber Ergänzungen liefert, die über den bisherigen Begriff hinausgehen (1997, S. 64). Ted Nelson, der 1965 den Begriff prägte, beschrieb damit nicht-sequentielles Lesen und Schreiben (Wehner 1997a, S. 160). Er definiert Hypertext als "the generic term for any text that cannot be printed (or printed conveniently) on a conventional page, or used conveniently when bound between conventional covers." (zit. in Pfammatter 1998a, S. 49) Damit ist eine Besonderheit von Hypertext genannt: er ist nicht-linear. Wie aber kann die Struktur von Hypertext beschrieben werden? Primär wird zwischen "nodes" (Knoten), den informationstragenden Einheiten und "links" (Verknüpfungen), die die Knoten verbinden, unterschieden (Scheunemann 1997, S. 203; Schmitz 1998, S. 232; Krajewski 1997, S. 65). Eine interessantes Bild von der neuen Qualität des Hypertextes zeichnet Krajewski: "Der konventionelle Text gewinnt gleichzeitig eine neue Dimension. In einer einfachen Beschreibung steigert sich dann die Anzahl der Dimensionen von 2 (Ebene) auf 3 (Raum des Hypertextes). Während im gewöhnlichen Text der Blick des Lesers entlang der Zeile (1. Dimension, x-Achse) wandert, um Signifikante mit Bedeutung zu assoziieren (2. Dimension, y-Achse), spannt die zusätzliche Verbindung zu einem weiteren Text via Hyperlink die z-Achse auf." (1997, S. 65f.) Neben der komplexen Vernetztheit, der Räumlichkeit des Hypertextes ist nach Pfammatter der Computer als technisches Medium, in dem das Textkonzept realisiert wird, notwendige Bedingung (1998a, S. 49).

Das Hypertextkonzept ist im Internet, speziell dem World Wide Web, doppelt auszumachen. Auf der einen Seite unterstützt und ermöglicht es das Prinzip Multimedialität. Denn die verschiedenen Ton-, Bild- und Textelemente werden mit Hilfe der Hyperlinks in ein Dokument eingebettet. Erst dadurch wird die simultane Darstellung der medialen Formen realisiert. Auf der anderen Seite offenbart sich das Konzept in Form der Optionen (der Sprungmarken), die es innerhalb der angezeigten WWW-Dokumente jeweils ermöglicht. Zusammenfassend ergibt sich damit eine Klassifikation in obligatorische und optionale Verknüpfungen. Diese Möglichkeiten zeigen gleichzeitig die nicht unerhebliche Bedeutung der Hypertextualität für die Wahrnehmung der Interaktivität auf.

Wie bereits bei den Ausführungen zur Interaktivität bemerkt, hat der Nutzer im Vergleich zu den Massenmedien einen andersartigen Zugang zum Internet. Dieser wird als "Pull"-Charakter des Internet bezeichnet. Die Distribution von Informationsangeboten durch die herkömmlichen Massenmedien trägt demgegenüber die Kennzeichnung "Push". Die Nutzer rufen im Netz aktiv Informationen ab, während z. B. das Fernsehen sein Programm unablässig auf den Bildschirm sendet. Das Pull-Push-Phänomen ist eng mit der Interaktivität verwandt, da dieses Merkmal die Voraussetzung für den "Pull"-Zugang der Nutzer ist. Diese grundlegend andere Nutzungsweise des Internet führt zu der Frage, welche Rolle es im Mediensystem einnimmt. Konsens besteht darüber, daß einige Kommunikationsmodi "sowohl Züge des Fernsehens als auch des Hörfunks, also von Massenmedien, andere wiederum [...] Eigenschaften eines Individualmediums wie die des Telefons" (Welker 1998, S. 89) aufweisen. "Die Grenzen zwischen Individual-, Gruppen- und öffentlicher Kommunikation" (Scholl et al. 1996, S. 26) verwischen. Dementsprechend wurde verschiedentlich versucht, den Status des Internet anhand der Definitionen von Massenmedien aufzuklären (vgl. Frey 1997, o. S.; Weinreich 1998, S. 133; Friedrichsen 1998, S. 208ff.). Die unterschiedlichen Ergebnisse, zu denen diese Studien kommen, bestätigen noch einmal die ohnehin vielzitierte Einschätzung von Höflich, das Internet sei ein "Hybridmedium" (1997). Es vereint "Qualitäten sowohl der Massen- als auch der Individualkommunikation" (Höflich 1998a, S. 49). Eine Differenzierung ist nicht auf allgemeiner, sondern nur auf der Ebene der einzelnen Kommunikationsmodi möglich, soll aber hier nicht vorgenommen werden.

Das Internet bildet sich aus vernetzten Computernetzen, die gemeinsam auf dem Protokoll-Standard TCP/IP basieren. Unterschiedliche Dienste (oder Kommunikationsmodi) stehen den Nutzern dabei zur Verfügung. Zu den wichtigsten gehören E-Mail, News, FTP, IRC und das Word Wide Web, wobei dieses als "grafische Benutzeroberfläche" des Internet im Begriff ist, die anderen Dienste untrennbar zu integrieren.

Grundlegende Merkmale in technologischer Hinsicht sind die elektrische Datenübertragung, Vernetzung und Digitalisierung. Durch sie wird die Anwendung der Internet-Dienste als unabhängig von Zeit und Raum, interaktiv und multimedial wahrgenommen. Die genannten Merkmale sind allesamt notwendig, keineswegs aber einzeln hinreichend für die Beschreibung des Medienbündels. Erst aus ihrer Verbindung ergibt sich die Unverwechselbarkeit des Internet. Lediglich die Hypertextualität des WWW und die Funktion als Hybridmedium (Pull-Push-Phänomen) können als exklusive Merkmale eingestuft werden.

Im folgenden Kapitel steht die Frage der praktischen Nutzung der Kommunikationsmodi des Internet im Vordergrund. Ausgehend von den Bedürfnissen der Öffentlichkeitsarbeit für Hochschulen soll ermittelt werden, ob und wie das Internet für die Hochschul-PR von Nutzen sein kann. Zunächst wird die Nutzerperspektive bezogen, um den Einsatz des Medienbündels nicht an den Bedürfnissen der Bezugsgruppen vorbei zu planen und deren Erwartungshaltungen realistisch einschätzen zu können. Danach werde ich die Nutzung des Internet entsprechend der Funktionen Informationsbeschaffung, -präsentation und Dialogkommunikation beleuchten. Abschließend soll das Internet mit seinen verschiedenen Diensten in das Instrumentarium der Public Relations eingeordnet werden.